Bewertung des Grundstücks für die Schenkungsteuer
Berücksichtigung von Reparaturrückstau – Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 10.06.2015, Az. 3 K 3248/11
Sachverhalt
Dem Kläger wurde von seiner Mutter ein Grundstück mit einem Mietswohnhaus (24 Wohnungen) schenkungsweise übertragen. Unstreitig handelt es sich dabei um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang. Fraglich war, welcher Wert für das Grundstück anzusetzen war. Der Kläger machte geltend, dass von dem errechneten Grundstückswert von 800.000 € pauschal 170.000 € für die bisher unterlassene Reparatur und Instandhaltung (Rückstau) abgezogen werden müssten. Dabei stützte er sich auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten, welches für das 1907 erbaute Gebäude insgesamt einen verbrauchten baulichen Zustand feststellte. Der Investitionsbedarf umfasse die Trockenlegung des Kellers (26.000 €), die Renovierung der Treppenhäuser (20.000 €), der Fassade (10.000 €) und die von 16 der 24 Wohnungen (117.000 €).
Der Bausachverständige des Finanzamtes kam zu einem geringeren Investitionsbedarf von ca. 101.000 €. Das Finanzamt setzte den Grundbesitzwert letztlich mit 699.000 € fest. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Wertfestsetzung von 630.000 €.
Entscheidung des Finanzgerichts
Generell ist für den Wert von Immobilien der Verkehrswert maßgeblich. Der Wert eines Mietshauses wird grundsätzlich im Ertragswertverfahren ermittelt. Dabei kommt es u.a. auf den (jährlichen) Reinertrag des Gebäudes und die Restnutzungsdauer des Gebäudes an. Das Gesetz eröffnet für den Steuerschuldner die Möglichkeit, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, einen niedrigeren Wert nachzuweisen.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg meint in seinem Urteil vom 15.06.2015, dass das hier vom Kläger vorgelegte Gutachten nicht schlüssig ist, da es die Wertminderung mit den Reparaturkosten gleichsetzt. Die für die Instandsetzung notwendigen Kosten könnten allenfalls ein Anhaltspunkt für die Wertminderung sein. Das Gutachten müsse daher Ausführungen dazu enthalten, wie sich die Reparaturkosten auf den Verkehrswert auswirken. Durch das Gutachten konnte der Kläger demnach nicht den geringeren Wert nachweisen, weshalb die Klage abgewiesen wurde.
Das Finanzgericht bemängelte darüber hinaus die Kostenberechnung für die Investitionen, da der Gutachter nicht persönlich sämtliche Wohnungen besichtigt hatte, sondern deren Zustand ungeprüft aus den Angaben der Schenkerin übernahm.
Inhalt des Gutachtens kritisch hinterfragen
Wie der Fall zeigt, ist das Gericht nicht gehalten, das Ergebnis eines Verkehrswertgutachtens einfach zu übernehmen. Vielmehr hat stets eine Prüfung der Plausibilität zu erfolgen. Das sollte auch als Auftraggeber eines Verkehrswertgutachtens beherzigt werden, indem das Gutachten auf Stimmigkeit und Begründung kritisch geprüft wird.
Vergleichbares Problem bei der Pflichtteilsberechnung
Der Wert einer Immobilie mit Investitionsrückstau ist auch bei der Berechnung des Pflichtteils im Rahmen des § 2311 BGB immer wieder ein Streitthema. Dabei gelten im Prinzip die gleichen Anforderungen wie bei der Bewertung für die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Sowohl Erbe als auch Pflichtteilsberechtigter haben ein erhebliches Interesse daran, dass der Wert von Grundbesitz im Nachlass richtig bewertet wird. Oftmals versucht der Erbe den Wert der Immobilie durch Ansetzung von angeblich notwendigen Reparaturkosten herunterzurechnen, während der Pflichtteilsberechtigte selbstverständlich ein gegenteiliges Interesse hat.
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