Vorweggenommene Erbfolge und Pflichtteilsergänzungsansprüche

Bekanntlich kann für eine Schenkung, die länger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt ist, keine Pflichtteilsergänzung mehr verlangt werden. Doch nicht immer ist klar, wann die zehnjährige Frist zu laufen beginnt.

Hintergrund

Es gibt viele Gründe, warum ein Grundstück schon zu Lebzeiten im Wege der Schenkung übertragen werden soll. Dieses kann steuerliche Gründe haben oder auch nur dem Wunsch Ausdruck verleihen, dem Beschenkten schon zu einem früheren Zeitpunkt Vermögen zukommen zu lassen.

Oftmals ist es aber auch der Wille des Schenkers, das Grundstück einer bestimmten Person, meistens einem der Kinder, zukommen zu lassen und gleichzeitig auszuschließen, dass andere Pflichtteilsberechtigte dafür Pflichtteilsergänzung verlangen können. Dieses spielt in der Regel in Patchwork-Familien oder beim Vorhandensein von außerehelichen Kindern eine große Rolle.

Gesetzlich stellt es sich gemäß § 2325 BGB so dar, dass bei der Pflichtteilsberechnung Schenkungen des Erblassers an Dritte dem Wert des Nachlasses hinzuzurechnen sind. Die Hinzurechnung erfolgt jedoch nur dann vollständig, wenn die Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall erfolgte. Danach fällt für jedes Jahr ein Zehntel weg, bis schließlich nach zehn Jahren überhaupt kein Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr anfällt.

Beispiel:

Der Erblasser hat bei seinem Tode seine Ehefrau und ein gemeinsames Kind hinterlassen. Daneben hatte er ein weiteres Kind aus einer früheren Beziehung. Alleinerbin ist aufgrund eines Testamentes seine Ehefrau geworden. Vier Jahre vor seinem Tod hat der Erblasser dem gemeinsamen Kind ein Wohngrundstück im Wert von 200.000,00 € unentgeltlich übertragen.

Das zweite (außereheliche) Kind macht nunmehr den Pflichtteil gegenüber der Erbin geltend. Dabei muss auch das verschenkte Wohngrundstück mit einem Wert in Höhe von 140.000,00 € (7/10) einberechnet werden. Der Pflichtteil des Kindes besteht in der Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, hier also zu 1/8. Der Anspruch erstreckt sich nunmehr anteilig auch auf das verschenkte Wohngrundstück.

Problem: Wann beginnt die zehnjährige Frist zu laufen?

Das Gesetz regelt, dass die Frist mit der Leistung des verschenkten Gegenstandes beginnt. Das ist bei verschenktem Geld eher unproblematisch. Bei Grundstücksübertragungen beginnt die Frist grundsätzlich mit der Eintragung des Beschenkten als Eigentümer.

Im Zuge von Grundstücksschenkungen behält sich der Schenker jedoch häufig ein sog. Nießbrauchs- oder Wohnungsrecht vor, welches ihn zur weiteren Nutzung oder Bewohnung des Grundstücks berechtigt. Das ist nachvollziehbar, da der Schenker in der Regel nicht zu Lebzeiten die Nutzung seines Wohnhauses aufgeben möchte oder er schlichtweg weiter das Grundstück zu nutzen berechtigt sein will.

Hier liegt jedoch genau das Problem. Der BGH legt dabei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an. Gibt der Schenker das Eigentum nur formal auf und nutzt das Grundstück weiter wie ein Eigentümer, liegt eine Leistung des verschenkten Gegenstandes im Sinne des Gesetzes nicht vor. Die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB beginnt daher auch nicht zu laufen. Es muss nach Ansicht des BGH ein „Genussverzicht“ beim Schenker vorliegen. Die Rechtsfortbildung ist jedoch mitunter großer Kritik ausgesetzt, da eine Abgrenzung im Einzelfall sehr schwierig sein kann. Hat sich der Schenker durch Einräumung eines solchen Rechts die Nutzung des Grundstücks vorbehalten, beginnt die Frist erst mit der Beendigung des Rechts.

Problematisch können auch Rückforderungsrechte sein, jedenfalls dann, wenn diese zur freien Ausübung des Schenkers eingeräumt wurden, da auch diese einer wirtschaftlichen Aufgabe entgegenstehen könnten. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt dazu allerdings noch nicht vor.

Ist der Schenker nur durch Vertrag zur weiteren Nutzung berechtigt, muss auch nach der bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass die Frist dennoch zu laufen beginnt.

Lösungsansätze

Die sicherste Variante ist, dass der Schenker das Grundstück nicht nur vollständig überträgt, sondern auch auf die Vereinbarung von Nutzungsrechten verzichtet. Sofern der Schenker weiter das Grundstück nutzen möchte, kann beispielsweise ein Mietvertrag mit dem Beschenkten geschlossen werden. Das Schutzniveau ist jedoch deutlich geringer als bei einer dinglichen Absicherung.

Nicht geklärt ist, ob die Einräumung von dinglichen Nutzungsrechten für einen Teil des Grundstücks, Auswirkungen auf den Fristbeginn hat.

Anzudenken ist darüber hinaus, ob eine entgeltliche Vertragsgestaltung gewählt werden kann, das Grundstück also nicht verschenkt, sondern verkauft wird. Dabei kann die Einholung eines Verkehrswertgutachtens eine gewisse Sicherheit hinsichtlich des anzusetzenden Wertes bringen.

Die Gestaltung birgt verschiedene rechtliche Risiken, so dass fachanwaltliche Beratung sehr zu empfehlen ist. Gerne sind wir Ihnen als Fachanwaltskanzlei für Erbrecht bei der Vorsorge behilflich. Kontaktieren Sie uns dazu einfach telefonisch oder per E-Mail.