Erbschein
Der Erbschein bezeugt gegenüber dritten Personen, wer Erbe des Verstorbenen geworden ist. Der Erbe kann somit seine Stellung als Erbe beweisen.
Was ist der Sinn und Zweck des Erbscheins?
Mit dem Erbfall geht der Nachlass automatisch auf den oder die Erben über. Allerdings reicht es in der Regel im Geschäfts- und Behördenverkehr nicht aus, die Erbenstellung einfach zu behaupten. Dazu wird ein Erbschein benötigt, der einen selbst als Rechtsnachfolger des Verstorbenen dritten Personen gegenüber ausweist (z.B. gegenüber Banken).
Das Gesetz räumt dem Erbschein daher eine hohe Beweiskraft ein. Wer im Erbschein als Erbe aufgeführt ist, ist auch als solcher zu behandeln, auch wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass in Wahrheit jemand anderes Erbe geworden ist (Vermutung zugunsten des Inhabers). Das ist insbesondere für den Dritten von Vorteil, da dieser in der Regel nicht Gefahr läuft, vom „wahren“ Erben in Regress genommen zu werden, wenn beispielsweise die Bank an die im Erbschein benannte Person auszahlt.
Wann ist ein Erbschein erforderlich?
Der Erbschein ist nicht immer erforderlich. Im Einzelfall genügt auch die Vorlage einer beglaubigten Testamentskopie nebst Protokoll des Nachlassgerichts über die Testamentseröffnung. Probleme treten immer wieder bei der Abwicklung von Bankkonten auf. Hier sollte noch zu Lebzeiten durch die Erteilung einer Vollmacht vorgesorgt werden.
Für die Grundbuchumschreibung genügt die Vorlage eines notariellen Testaments und des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts. Ist die Erbfolge allerdings auf andere Weise oder nach den gesetzlichen Regeln („ohne Testament“) eingetreten, bedarf es weiterhin eines Erbscheins. Die frühere Möglichkeit, einen gebührenermäßigten Erbschein zur Grundbuchberichtigung zu beantragen, gibt es heute nicht mehr.
Für Fragen zur Notwendigkeit und zur Möglichkeit der Umgehung durch lebzeitige Vorsorge, stehe ich Ihnen als Fachanwältin für Erbrecht gerne zur Verfügung.
Welche Arten des Erbscheins gibt es?
Es gibt verschiedene Arten von Erbscheinen. In der Regel wird der Erbschein für einen Alleinerben oder für mehrere Erben einer Erbengemeinschaft (gemeinschaftlicher Erbschein) erteilt. Das Nachlassgericht kann auch einen Teilerbschein oder einen gegenständlich beschränkten Erbschein ausstellen, wenn die Miterben nicht gemeinsam handeln wollen bzw. der Erbschein sich bei vorhandenem ausländischen Vermögen nur auf das Inlandsvermögen erstreckt.
Auch die Testamentsvollstreckung oder die Vor- und Nacherbschaft wird im Erbschein vermerkt.
Ab dem 17. August 2015 kann auch das sog. europäische Nachlasszeugnis beantragt werden, welches in fast allen EU-Ländern anerkannt wird. Dieses ist allerdings nur sinnvoll, wenn sich Nachlassvermögen im EU-Ausland befindet.
Wie läuft das Erbscheinsverfahren ab?
Wer sich aufgrund einer letztwilligen Verfügung oder aufgrund der gesetzlichen Erbfolge als Erbe berufen fühlt, kann beim zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein beantragen. Zuständig ist grundsätzlich das Nachlassgericht des Bezirkes, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Bei der gesetzlichen Erbfolge hat der Antragsteller die Sterbeurkunde des Erblassers und sämtliche familiären Nachweise (Geburtsurkunden etc.) vorzulegen und anzugeben, auf welchem Verhältnis das Erbrecht beruht, welche weiteren (erbberechtigten) Personen vorhanden sind, ob Verfügungen von Todes wegen vorliegen und ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist. Diese Angaben hat der Antragsteller in der Regel an Eides statt zu versichern.
Bei der testamentarischen Erbfolge muss in jedem Fall die entsprechende Verfügung von Todes wegen vorgelegt werden.
Auf Grundlage der beigebrachten Unterlagen und Erklärungen muss das Amtsgericht dann die erforderlichen Ermittlungen anstellen und gegebenenfalls Beweis aufnehmen. Der Erbschein wird ausgestellt, wenn das Nachlassgericht die erforderlichen Tatsachen festgestellt hat.
Welche Kosten kommen auf mich zu?
Für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen (ohne Erbschein) wird eine Festgebühr von 100,00 EUR fällig.
Für das Erbscheinsverfahren richtet sich die Gebühr nach dem Geschäftswert. Dieses ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Berücksichtigt werden demnach die Schulden des Erblassers, nicht jedoch die Erbfallschulden (z.B. Beerdigungskosten). Es wird eine volle Gebühr fällig. Beispielsweise fällt bei einem Nachlasswert von 200.000,00 EUR eine Gebühr in Höhe von 435,00 EUR an.
In bestimmten Fällen kann die Gebühr ermäßigt werden, beispielsweise wenn das Verfahren ohne Erteilung des Erbscheins beendet wird.
Für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung fällt eine gesonderte Gebühr an. Allerdings kann das Nachlassgericht die Versicherung erlassen, wenn es sie für nicht erforderlich erachtet.
Bei der Grundbuchumschreibung ist nunmehr in der Regel der „normale“ Erbschein notwendig, allerdings entfällt die Gebühr beim Grundbuchamt, wenn die Umschreibung innerhalb von zwei Jahren erfolgt.
Kostenschuldner ist der Antragsteller. Bei mehreren Antragstellern haften diese als Gesamtschuldner.
Brauche ich einen Rechtsanwalt im Erbscheinsverfahren?
Das kommt darauf an. Grundsätzlich kann jeder Erbe selbst den Erbschein beantragen. Bei einfach gelagerten Sachverhalten ist dieses auch völlig ausreichend.
Ist bereits unter den möglichen Erben ein Streit über die Erbfolge oder den Wert des Nachlasses entstanden, ist zu empfehlen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dieses gilt umso mehr, wenn der Gegenüber schon anwaltlich vertreten ist (Prinzip der Waffengleichheit).
Höchste Vorsicht ist auch geboten, wenn ein handschriftliches Testament unklare Formulierungen enthält, da in diesem Fall eine Auslegung erfolgen muss. Auch bei einem gemeinschaftlichen Testament, insbesondere beim sog. Berliner Testament, kommt es häufig zu Schwierigkeiten, wenn der Erblasser nach dem Tod des Ehegatten oder Lebenspartners erneut testiert hat. Ferner kommt es bei der testamentarischen Erbfolge oftmals zum Einwand, der Erblasser sei nicht mehr testierfähig gewesen.
Als Fachanwältin für Erbrecht stehe ich Ihnen gern für eine erste Beratung zur Verfügung.
Kann ein „falscher“ Erbschein zurückgenommen werden?
Ja, ein unrichtiger Erbschein kann vom Nachlassgericht eingezogen werden, wenn sich ergibt, dass dessen Inhalt nicht der wahren Rechtslage entspricht.
Ist ein unrichtiger Erbschein erteilt worden, ist für den wahren Erben Eile geboten, da der durch den Erbschein Berechtigte weiter von diesem Gebrauch machen kann. In diesem Fall muss das Nachlassgericht über die wahre Rechtslage in Kenntnis gesetzt werden. Der Erbe kann den Nachlass vom Scheinerben heraus verlangen.