Zur Bindungswirkung des Gemeinschaftlichen Testaments

OLG Hamm, Urteil vom 26.02.2015, Az. I-10 U 18/13

Die Bindungswirkung von gemeinschaftlichen Testamenten führt immer wieder zu Streit unter den Angehörigen. Wie der folgende Fall zeigt, muss genau geprüft werden, ob der überlebende Ehegatte bei der Errichtung eines neuen Testaments eingeschränkt ist.

Sachverhalt

Die Parteien sind Geschwister und streiten um die Verteilung des Nachlasses ihrer Mutter (Erblasserin). Die Erblasserin war alleinige Eigentümerin eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks. Im Jahr 1979 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sie sich gegenseitig als Alleinerben und die gemeinsamen Kinder als Erben des Überlebenden zu je 1/2 einsetzten. Der Ehemann verstarb im Jahre 1980. Nennenswerten Nachlass besaß er nicht.

Im Jahre 2004 übertrug die Erblasserin einen Teil des Grundstücks auf ihre Tochter und verfasste ein weiteres Testament, in welchem sie ihre Kinder als Erben zu je 1/2 einsetzte. Sie bestimmte jedoch im Wege einer sog. Teilungsanordnung, dass das Grundstück nach ihrem Tode die Tochter zum Alleineigentum bekommen sollte. Der Sohn der Erblasserin sollte dafür von seiner Schwester einen finanziellen Ausgleich erhalten.

Der Sohn war der Ansicht, dass nach dem gemeinschaftlichen Testament der Eltern beide uneingeschränkt Erben zu je 1/2 seien. Schließlich verklagte die Tochter (Klägerin) ihren Bruder (Beklagter) auf Zustimmung zur Teilung des Nachlasses, wie es die Erblasserin in ihrem Testament im Jahre 2004 angeordnet hat.

Urteil des OLG Hamm

Das Landgericht Bochum entschied noch, dass dem Beklagten das hälftige Miteigentum an dem Grundstücksteil der Erblasserin zusteht. Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das OLG Hamm in seinem Urteil vom 26.02.2015 den Beklagten zur Zustimmung und entschied, dass der Klägerin das alleinige Eigentum an dem Grundstück zusteht.

Die Klägerin konnte aufgrund der Teilungsanordnung der Erblasserin in dem Testament aus dem Jahre 2004 die Zustimmung zur Teilung des Nachlasses vom Beklagten verlangen. Die Erblasserin durfte nach dem Tod ihres Ehemannes ein neues Testament errichten und war nicht an das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1979 gebunden.

Zwar werden Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des Ehepartners bindend, wenn anzunehmen ist, dass die Ehepartner ihre jeweilige testamentarische Anordnung von der des anderen abhängig machen (sog. Wechselbezüglichkeit). Hier sei das jedoch nicht der Fall, da der vorverstorbene Ehemann über kein nennenswertes Vermögen verfügte und zur Zeit der Testamentserrichtung schon unheilbar erkrankt war. Das OLG Hamm kam also zu dem Ergebnis, dass der Ehemann die Erbeinsetzung seiner Ehefrau nicht davon abhängig machen wollte, dass diese die gemeinsamen Kinder als Erben zu gleichen Teilen einsetzt.

Über den in der Literatur und Rechtsprechung herrschenden Streit, ob der überlebende Ehegatte bei vorliegender Wechselbezüglichkeit eine abweichende Teilungsanordnung treffen kann, musste das OLG Hamm daher nicht entscheiden.

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Gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern bieten für die gemeinsame Vermögensnachfolge einige Vorteile und Sicherheit. Die angesprochene Bindungswirkung nach dem Tod des Erstversterbenden kann jedoch zu einer deutlichen Einschränkung der Flexibilität des überlebenden Ehegattens führen. Haben sich die Eheleute jeweils zu Alleinerben des anderen und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt, ist diese Erbeinsetzung in der Regel bindend, sofern keine abweichende Regelung getroffen wird.

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