Der Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten

LG Bonn, Urteil vom 11.08.2015, Az. 8 S 5/15

Damit der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch beziffern kann, steht ihm ein Auskunftsanspruch über den Bestand und den Wert des Nachlasses gegenüber dem Erben zu. Darüber hinaus besteht für einzelne Nachlassgegenstände ein Anspruch auf Wertermittlung durch einen Sachverständigen. Streitig war im Fall jedoch, ob der Wertermittlungsanspruch auch besteht, wenn der Nachlassgegenstand schon zu einem bestimmten Preis veräußert wurde.

Sachverhalt

Zum Nachlass des Erblassers gehörte unter anderem ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück. Die Erbengemeinschaft versuchte das Grundstück zunächst für 195.000,00 € zu verkaufen. Als dieses nicht gelang, verkaufte sie es letztlich für 175.000,00 €. Darüber hinaus gehörten zum Nachlass auch mehrere Armbanduhren.

Der durch Testament enterbte Sohn des Erblassers verlangte von den Erben den Pflichtteil. Um den Anspruch berechnen zu können, verlangte er auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, in welchem der Wert des Grundstücks und der Wert der Uhren zum Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt wird. Hinsichtlich der Uhren ging auch der Pflichtteilsberechtige im Grunde davon aus, dass diese wertlos sind. Er wollte aber durch ein Gutachten sichergehen, ob nicht doch zumindest eine wertvolle Uhr dabei ist.

Die Erben waren der Meinung, dieses sei unnötig, da es allein auf den Verkaufspreis ankomme bzw. die Uhren offensichtlich keinen Wert haben.

Urteil des LG Bonn

Das Landgericht Bonn entschied in seinem Urteil vom 11.08.2015, dass es in der Regel auf den tatsächlichen Verkaufserlös ankommt, sofern der Nachlassgegenstand zeitnah nach dem Erbfall veräußert wird. Das steht dem Wertermittlungsanspruch jedoch grundsätzlich nicht entgegen. Denn der Pflichtteilsberechtigte kann nur dann feststellen, ob der Verkaufspreis angemessen war, wenn er den durch einen Sachverständigen ermittelten Wert kennt.

In diesem Fall war es jedoch so, dass die Erben darlegen konnten, dass ein höherer Verkaufspreis nicht erzielt werden konnte. Das hat der pflichtteilsberechtigte Kläger nicht bestritten. Hat der Pflichtteilsberechtigte aber Informationen erhalten, aus denen er sich ein hinreichendes Bild über den Wert des Nachlassgegenstandes machen kann, besteht ein Wertermittlungsanspruch nicht mehr.

Im Falle der offensichtlich wertlosen Uhren, besteht ebenfalls kein Anspruch auf Wertermittlung durch einen Sachverständigen, da die Kosten des Gutachtens den Wert der Uhren erheblich übersteigen dürften.

Hinweise für die Praxis

Für den Pflichtteilsberechtigten ist es in der Regel schwer, sich ein Bild über den Wert des Nachlasses zu machen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er keinerlei Unterlagen zu den einzelnen Gegenständen zur Verfügung hat. Bei Grundstücken oder auch Unternehmensanteilen wird oftmals nur ein Sachverständigengutachten Gewissheit bringen. Auf der anderen Seite muss der Pflichtteilsberechtigte auch bedenken, dass die Kosten für den Sachverständigen zu Lasten des Nachlasses gehen, sich also auch der Pflichtteilsanspruch verringert.

Daher sollten zunächst sämtliche Informationen eingeholt werden, so dass eine ausreichende Tatsachengrundlage besteht, um entscheiden zu können, ob sich die Beauftragung eines Sachverständigen lohnt.

Dabei ist fachanwaltliche Vertretung meistens vorteilhaft, da die Verhandlungen zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten professionell durchgeführt werden können. Gerne ist Ihnen die auf das Erbrecht spezialisierte Fachanwaltskanzlei Dr. Unterberger bei der Lösung von erbrechtlichen Fragestellungen behilflich. Kontaktieren Sie uns dazu einfach telefonisch oder per E-Mail.